[Im Arbeitsalltag] ist es enorm wichtig, dass eine Führungskraft mit seinen Mitarbeitern im Gespräch bleibt und ständig den Kontakt zu ihnen sucht. Und damit meinen wir nicht das einmal im Jahr stattfindende Mitarbeitergespräch, das leider noch in vielen Unternehmen obligatorisch ist und oftmals von allen Beteiligten nur als lästige Pflicht empfunden wird, die man einfach schnell abhaken möchte.

Wir empfehlen, ein solches Gespräch nach jedem abgeschlossenen Projekt zu führen. Dabei kann eine Führungskraft die Gelegenheit zum Loben nutzen und ihrem Mitarbeiter sagen, was für einen tollen Job er macht und wie wichtig seine Arbeit für das Unternehmen ist. Das sollte jedoch unbedingt ehrlich gemeint sein, denn ein ≫taktisches≪ Lob wird schnell durchschaut und kann negative Auswirkungen haben.

Erst durch diese ehrlich gemeinte Anerkennung schafft die Führungskraft eine Atmosphäre, die es ihr ermöglicht, im nächsten Schritt auch die Dinge anzusprechen, die nicht so gut gelaufen sind. Nur so kann ein Mitarbeiter sich entwickeln. Das muss aber nicht immer bedeuten, dass er dann andere Aufgaben oder mehr Verantwortung übernimmt.

Nichtsdestotrotz gehört es immer zu den Aufgaben eines Leaders, seine Mitarbeiter weiterzuentwickeln, und das kann auch innerhalb ihres schon bestehenden Aufgabenbereiches sein. Für die meisten Menschen ist es sehr motivierend, wenn sie bemerken, dass sie sich in eine positive Richtung entwickeln und ihre Aufgaben dadurch vielleicht noch besser ausführen können. Ein Jahresgespräch reicht dafür allerdings bei Weitem nicht aus, Entwicklungsgespräche müssen kontinuierlich über das ganze Jahr verteilt auf der Agenda stehen. Durch mehrere, in kürzeren Abständen geführte Gespräche vermeidet man außerdem, dass sich Dinge aufstauen und es zu Frust kommt, weil sich der Mitarbeiter nun vielleicht eine lange Liste mit Fehlern anhören muss, die er in den letzten zwölf Monaten gemacht hat und an die er sich vielleicht gar nicht mehr richtig erinnern kann. Darüber hinaus ist es viel effektiver, etwas zeitnah anzusprechen, um die gewonnenen Erkenntnisse beim nächsten Projekt gleich umsetzen zu können.

Dadurch kann im Unternehmen viel Zeit gespart werden, auch wenn uns Führungskräfte oft sagen, dass ihnen für regelmäßigen Dialog mit ihren Mitarbeitern genau das fehlt – nämlich Zeit. Dann berichten wir gern von einem Qualitätsmanager und seinem Werksleiter, die uns während unserer gemeinsamen Zusammenarbeit erzählten, dass sie sich jede Woche die Zeit nehmen, um mit ihren Mitarbeitern ein Einzelgespräch zu führen. Dieser Direct Report kann zwischen dreißig Minuten und einer Stunde dauern – jede Woche! Die beiden gaben zu, dass das zu Beginn ziemlich anstrengend gewesen sei und tatsächlich viel Zeit gekostet habe. Doch nach einer Weile stellte sich der gewünschte Effekt ein: Ihre Mitarbeiter entwickelten sich deutlich schneller, außerdem waren sie insgesamt motivierter. Davon profitierten auch der Qualitätsmanager und sein Werksleiter, denn weil ihre Mitarbeiter immer eigenständiger agierten, konnten sich die beiden aus dem operativen Geschäft ein wenig zurückziehen und hatten dadurch mehr Freiraum für andere Führungsaufgaben (Neukundenakquise, Erschließung zusätzlicher Märkte u.a.). Die Investition in Kommunikation und Dialog zahlt sich also immer aus und erhöht gleichzeitig die Motivation der Mitarbeiter – nicht kurzfristig, aber mittel- und langfristig.

So manche Führungskraft verwechselt auch Feedback und Gehaltserhöhung. Natürlich freut sich jeder Arbeitnehmer über mehr Geld im Portemonnaie, doch ersetzt das weder ein persönliches Gespräch noch Anerkennung und Lob. Der Gehaltsscheck darf nicht die einzige Form des Feedbacks sein, zumal Geld allein nicht für eine dauerhafte Motivation sorgt. Untersuchungen haben gezeigt, dass Mitarbeitern die Anerkennung ihrer Arbeit und ein vernünftiges Arbeitsklima mindestens genauso wichtig sind wie ihr Gehalt. […]

Außerdem gewöhnt man sich schnell an das zusätzliche Geld – nach wenigen Monaten ist die Gehaltserhöhung schon selbstverständlich geworden. Viel wertvoller und dauerhafter ist jedoch das Gefühl, dass mein Vorgesetzter wahrnimmt, was für eine gute Arbeit ich tagtäglich mache.

 

Auszug aus dem Buch „Führung ist keine Illusion – Erlebnisse, Erfahrungen und Erzählenswertes aus zwanzig Jahren Beraterpraxis“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2020