Im Zusammenhang mit dem Glückstagebuch haben wir schon darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, im Alltag auf Kleinigkeiten zu achten. Und es sind auch die vermeintlich kleinen Dinge, mit denen die Führungskräfte ihre Mitarbeiter motivieren und zu guten Leistungen anspornen können. So kann beispielsweise ein Lob oder die Anerkennung einer gut ausgeführten Arbeit sehr viel bewirken:
„Lob ist effektiver und nachhaltiger. Mitarbeiter, die gelobt werden, stecken sich höhere Ziele, um dem Lob auch gerecht zu werden. Biochemisch ist interessant, was im Hirn passiert: Beim Lob wird Dopamin ausgeschüttet, was vom Gehirn als positives Ergebnis im Langzeitgedächtnis abgespeichert wird. […] Menschen, die motiviert und begeistert sind, arbeiten in der Regel produktiver, entwickeln bessere Lösungen, haben eine positive Ausstrahlung und ziehen damit attraktive Kunden an.“[1]
Dennoch tun sich Führungskräfte oft ausgesprochen schwer damit, ihre Mitarbeiter zu loben. „Soll ich denn wirklich Dinge loben und anerkennend wertschätzen, die eigentlich selbstverständlich sind? Also auch Dinge, die ausdrücklich im Arbeitsvertrag stehen?“ Das sind häufig gestellte Fragen in unseren Coachings.
Gleichzeitig erwarten solche Führungskräfte allerdings, dass auch Aufgaben erledigt werden, die nicht explizit im Arbeitsvertrag stehen. Bekommt der Mitarbeiter darüber hinaus nur dann ein Feedback, wenn er etwas falsch gemacht hat, sollte man sich wirklich nicht darüber wundern, wenn er irgendwann nicht mehr motiviert an seinem Arbeitsplatz erscheint.
In Deutschland ist diese Art der Fehlerkultur besonders weit verbreitet: Positive Leistungen werden als selbstverständlich angesehen und nicht großartig thematisiert, während Fehler sehr wohl und ausführlich zur Sprache kommen. Schaffe ich in meinem beruflichen Umfeld jedoch eine Atmosphäre, die nur wenig mit Wertschätzung zu tun hat, sondern die eher in Richtung Kontrolle oder Maßregelung geht, und ist der Fokus ausschließlich auf das gerichtet, was gerade nicht so gut läuft, dann wird mir als Führungskraft diese feindselige Atmosphäre über kurz oder lang im Wege stehen, wenn ich etwas erreichen will. Eine negative Fehlerkultur führt zwangsläufig zu Stress, Leistungsdruck und Überforderung.
Hinzu kommt, dass nahezu unsere gesamte Sprache auf diese Fehlerkultur ausgerichtet ist. In unserer Kommunikation arbeiten wir fast ausschließlich mit Negation, bringen also eher zum Ausdruck, was wir nicht wollen, anstatt ganz klar zu sagen, was genau unsere Vorstellungen sind. […]
[Wieso das so ist] liegt auf der Hand: Unserem Gehirn ist es nicht möglich, Negationen zu verarbeiten, weil wir ausschließlich in Bildern denken. Das Wort ≫nicht≪ kommt in unserem Oberstübchen also gar nicht an. Wahrscheinlich kennst du das bekannte Phänomen des rosa Elefanten: Wenn man nicht an ihn denken soll, denkt man an nichts anderes.
Wichtig ist an dieser Stelle der Transfer in den Berufsalltag. Sage ich beispielsweise einem Mitarbeiter, dass er nicht laufen soll, dann brauche ich mich nicht zu wundern, wenn er sich überhaupt nicht bewegt. Oder wenn ein Vorgesetzter seinem Mitarbeiter, der jeden Tag eine Viertelstunde zu spät im Büro erscheint, droht: ≫Komm morgen nicht wieder zu spät, denn dann hast du hier keinen Job mehr. ≪ Falls dieser Mitarbeiter am nächsten Morgen doch wieder spät dran sein sollte, wird er lieber einen gelben Schein einreichen und sich krankmelden, damit er nicht rausfliegt. Am eigentlichen Problem wird sich also vermutlich nichts ändern.
Sein Chef sollte ihn also besser mit einer positiven Formulierung auf das Fehlverhalten hinweisen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen: ≫Sieh zu, dass du morgen einfach eine Viertelstunde eher aufstehst, damit du pünktlich hier sein kannst. ≪ Darauf kann der Mitarbeiter reagieren und beispielsweise den Vorschlag annehmen oder auch mit seinem Vorgesetzten ins Gespräch kommen, sollte der verspätete Dienstantritt etwa einen differenzierten Hintergrund haben. […]
Auszug aus dem Buch „Führung ist keine Illusion – Erlebnisse, Erfahrungen und Erzählenswertes aus zwanzig Jahren Beraterpraxis“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2020
[1] Zeit.de, Glück ist ein Wirtschaftsfaktor, 09.01.2015.