Vielleicht liegt es in der Natur der Sache. Vielleicht ist es auch nur Zufall. Wir haben auf unserer 20-jährigen Reise durch viele Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Unternehmensgrößen mehr verhärtete Fronten zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung als harmonisches Miteinander erlebt. Jetzt denken Sie vielleicht: Das ist doch normal! Die haben unterschiedliche Interessen! Ist das so? Ja, dort, wo die Fronten verhärtet sind. Nein, da wo man gemeinsam in die Zukunft schaut.

Unserer Erfahrung nach hat dieses Dilemma drei Ursachen. Zum einen der unterschiedliche Fokus. Welchen Fokus hat ein Unternehmer? Unternehmerisches Denken und Handeln verlangt von uns, dass wir zeitgleich drei Perspektiven einnehmen, um erfolgreich zu sein. Wir müssen die gegenwärtige Realität händeln und dabei die Vergangenheit respektieren, indem wir aus letzterer lernen und Bewahrenswertes, wie z.B. wichtige Begebenheiten, Traditionen oder Werte, mit in die Zukunft nehmen. Vor allem aber müssen wir uns auf die Zukunft ausrichten. Der Umgang mit der Realität erfüllt nur einen einzigen Zweck: Die Zukunft gestalten und diese dadurch sichern.

Worauf jedoch fokussieren Betriebsräte? Zumindest der Großteil derer, die wir bisher kennengelernt haben. Hauptsächlich auf das Hier und Jetzt! Der ein oder andere mag denken, was ist denn daran falsch? Naja, das ist wie, wenn ich eine ganze Torte auf einmal essen würde. Es tut mir vielleicht jetzt gut, aber weder habe ich morgen noch etwas von der Torte noch tut der Zuckerschock meiner Physis gut.

Die zweite Ursache des Dilemmas ist, dass viele Führungskräfte sich nie mit der Rolle eines Betriebsratsmitglieds, geschweige denn mit dem Betriebsverfassungsgesetz auseinandergesetzt hat. Wie aber will ich meinen Betriebsrat bei seiner Arbeit unterstützen, wenn ich seine Aufgabe nicht verstanden habe? Und jetzt fragen sich viele: Wieso unterstützen? Im Betriebsverfassungsgesetz steht unter §2 u.a., dass Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten. Hier ein Appell an jeden Unternehmer, Inhaber oder Geschäftsführer eines Unternehmens: Sie vertreten den Arbeitgeber und jeder Arbeitnehmer ist ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin. Das Hauptaugenmerk von Führung ist die Arbeit am Menschen und mit dem Menschen, um diesem die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln. Ihr Betriebsrat bezieht nach wie vor das Gehalt vom Unternehmen und ist dadurch nach wie vor Mitarbeiter des Unternehmens. Dadurch obliegt es der Verantwortung und Fürsorgepflicht einer Geschäftsführung, sich auch um den Betriebsrat zu kümmern. Und glauben Sie es ruhig! Sprechen Sie nicht mit Ihrem Betriebsrat, dann werden es andere tun und zwar in der Regel die Gewerkschaftsvertreter. Und – bitte sehen Sie es mir nach – dann wird es unserer Erfahrung nach politisch. Da Politik wie andere Systeme auch das Bestreben hat, sich zu erhalten, liegt der Fokus des Unternehmens dann garantiert nicht mehr in der Zukunft. Es geht eher darum, die nächsten Konflikte auszufechten.

Vor einiger Zeit haben wir einen Workshop für den Betriebsrat eines mittelständischen Unternehmens aus der Metallindustrie moderiert. In diesem Workshop sagte uns ein Betriebsratsmitglied, dass wir doch sehr offensichtlich pro Arbeitgeber ausgerichtet seien und dass dies ja klar wäre, da wir ja vom Arbeitgeber bezahlt würden.

„Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht“, entgegneten wir, „Wir sind weder pro Arbeitgeber noch pro Arbeitnehmer eingestellt. Vielmehr sind wir pro Unternehmen, pro Standort eingestellt. Wem wir dafür ggf. wehtun müssen, ist uns ziemlich egal. Wir sind Berater und unserer Mission verpflichtet. Unsere Mission ist, für unsere Kunden so einzutreten, als handele es sich um unser eigenes Unternehmen.“ Genau dies zeichne uns übrigens – so sagen unsere Kunden – aus. Die, die uns buchen wollen den konfrontativen Sparringspartner und nicht den angepassten Trainer oder Coach. Und da wir nah am Menschen arbeiten, bauen wir Beziehungen auf, die von Vertrauen und Wertschätzung geprägt sind – also von Nähe. Und wenn es sein muss sind wir voller Wertschätzung einem Betriebsratsmitglied gegenüber genauso unbequem wie einem Geschäftsleitungsmitglied. „Ihr nächster Schritt ist unser Ziel!“ Unser Slogan ist klar auf die Zukunft ausgerichtet und das sollte eine Beziehung, ein Miteinander zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung auch sein.

Kommen wir nun zur dritten Ursache des Dilemmas: Betriebsräte werden gewählt! Klingt vielleicht komisch, ist aber so. Betriebsräte sind wie Politiker: Nach der (Erst-) Wahl tragen sie eine enorme Verantwortung, haben aber keinen Plan, was auf sie zukommt. Das geht häufig Politikern so. Das geht auch Menschen so, die in einem Verein oder Ehrenamt einen Posten bekleiden. Und das geht Betriebsräten so.

Jede Führungskraft eines Unternehmens hat sich in der Regel Minimum 10 Jahre auf ihre Position vorbereitet, ist verschiedenste Führungsebenen durchlaufen, hat vielleicht sogar verschiedenste Unternehmensbereiche geleitet. Erst dann kommt eine Führungskraft im Management an und vielleicht sogar in der Geschäftsführung oder im Vorstand eines Unternehmens.

Betriebsräte sind gewählt, haben wenig bis keine Zeit, sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten und müssen in den Diskurs mit Führungskräften. Und dies, ohne das System Unternehmen in seiner Gänze zu verstehen. Diese Situation ist uns in unserer beruflichen Laufbahn häufig begegnet. Und genau diese Situation führt häufig zu Missverständnissen bis hin zu Konflikten. Dieses wiederum erschwert und beschwert die Kommunikation, was wiederum zu weiteren Konflikten führt. Wo hören Diskussionen auf und wo fangen Konflikte zwischen GF und BR an? Die Definition eines Konflikts ist hierbei häufig subjektiv. Von einem Konflikt ist aber meistens erst dann die Rede, wenn sich im Zuge einer Diskussion unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten gebildet haben und beide Fronten absolut verhärtet sind. In Folge dessen sinken die Produktivität und die Arbeitsleistung im Unternehmen dramatisch. Denn bis zu 70% der Energie, die eigentlich pro Tag für die Arbeit aufgewendet werden sollte, wird in Konflikte investiert.

Genauso wie Führungskräfte Zeit benötigen, um sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten, genauso brauchen Betriebsräte Zeit, sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Und damit meine ich nicht ein 5-Tagesseminar Betriebsverfassungsgesetzt bei einer Gewerkschaft oder gewerkschaftsnahen Institution. Auch richtig, aber wichtiger sind Softskills und betriebswirtschaftliche Themen.

Flugzeugpiloten müssen zuerst in einem Simulator fliegen lernen, bevor sie das Steuer eines echten Flugzeugs in die Hand nehmen dürfen. Das Risiko eines Fehlers wäre zu groß. Jetzt gibt es Stimmen, die sagen „Naja, da geht es ja auch um Menschenleben.“ Ja, und falsche unternehmerische Entscheidungen bedrohen ebenfalls Existenzen. Es lohnt sich also, am Dilemma und dem gemeinsamen Verständnis zu arbeiten, um Konflikten und Problemen vorzubeugen.