In Frage 5 haben wir ausführlich über agile Führung gesprochen, und Krisen wie diese sind Agilität par excellence, die sich durch eine hohe Komplexität auszeichnen. Auch wenn jede Organisation auf wertvolle Erfahrungen und eigene Expertise zurückgreifen kann, müssen sich Unternehmen oder Teams in Krisen immer wieder auf für sie neu entstehende Situationen und damit Verhaltensweisen einstellen. Dies erfordert den souveränen Umgang mit sich schnell verändernden, ja sich manchmal sogar überschlagenden Ereignissen.

Daher kann eine Unterstützung in der Krise nicht durch ein bereits im Vorfeld definiertes und klar strukturiertes Hilfsprogramm stattfinden, auch wenn viele das vielleicht denken: »In solchen Situationen können sich bestehende Notfallpläne als kontraproduktiv erweisen. Wer verbissen an (mittlerweile sinnlos gewordenen) Vorschriften festhält, verbaut sich den Weg zu kreativen Auswegen. Das wird insbesondere in Behörden und hierarchischen Unternehmen zum Problem […]. Nach Plan zu scheitern scheint oft bequemer, als mit unkonventionellen Lösungen Erfolg zu haben. Zumindest kann dann jeder behaupten, sich an die Vorschriften gehalten zu haben – auch wenn diese von den Ereignissen überholt wurden.«[1]

Krisen halten sich an kein Skript, daher ist es entscheidend, die Umsetzung von Maßnahmen laufend zu beobachten, damit auf diese Art so schnell wie möglich reagiert werden kann, um Wirkungen zu lenken und gegebenenfalls erneut zu reagieren. Für diese Umsetzung und Justierung der Unterstützungsmaßnahmen sind wir im Krisenfall in regelmäßigen Intervallen bei unseren Kunden vor Ort, auch die Definition dieser Intervalle wird immer wieder der jeweils aktuellen Situation angepasst. […]

Unter einer Krise versteht man der Wortherkunft nach, vereinfacht ausgedrückt, den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung. Die mit diesem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation bietet in der Regel sowohl die Chance zur Lösung des Konflikts als auch die Möglichkeit zu dessen Verschärfung. […]

Aufgrund unseres selbstverständlichen Umgangs mit der digitalen Technik, den wir uns im Laufe der Jahre angeeignet hatten, konnten wir das Vertrauen unserer Kunden halten oder zum Teil sogar steigern. Durch die Verlegung von Terminen und Veranstaltungen ins Web gelang es uns sogar, die Kundenfrequenz noch zu erhöhen – da der Lockdown ja jegliche Reisetätigkeit unmöglich machte, wir also überhaupt nicht mehr unterwegs waren, eröffneten sich für uns weitere Zeitfenster für Kundentermine. Besonders freuten wir uns darüber, dass wir aufgrund unserer Expertise in der Umsetzung von virtuellen Maßnahmen von unseren bestehenden Kunden weiterempfohlen wurden und dadurch auch neue Kunden hinzugewinnen konnten. Nichtsdestotrotz möchten wir hier keinesfalls ein oberflächliches »Alles-wird-gut-Denken« verbreiten und vergessen auch nicht die negativen Auswirkungen von Krisen, speziell der Corona-Krise, die sowohl in gesundheitlichen als auch wirtschaftlichen Zusammenhängen verheerende Auswirkungen hatte. Gegen viele Dinge, die derzeit in der Welt passieren, können wir allerdings nur wenig ausrichten, daher kann es hilfreich sein, sich gerade in einer Krise auf das Positive zu konzentrieren, das trotz aller negativen Dinge eben auch immer vorhanden ist. Das Gesetz der Polarität besagt, dass ein Pol stets einen Gegenpol hat.

Dies spiegelt sich überall in unserem Leben wider, denn der Mensch nimmt seine Umwelt polar wahr, also durch die Differenzierung zweier Pole wie etwa schwarz und weiß oder gut und böse. Und egal, wie viele schlimme Dinge gerade passieren, der Gegenpol ist ebenfalls immer vorhanden. Wie gesagt, es geht nicht darum, das Negative zu ignorieren oder schönzureden, vielmehr geht es darum, sich jederzeit bewusst zu machen: Es gibt auch etwas Positives! Die technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte haben es während der Corona-Zeit beispielsweise ermöglicht, dass viele zu Hause arbeiten konnten. Das wäre vor zwanzig Jahren noch fast undenkbar gewesen. Die gleiche Technik hat es außerdem ermöglicht, den Kontakt zu Familien und Freunden aufrechtzuerhalten – vielleicht haben wir mit manchen Personen noch nie so viel kommuniziert wie in diesen Tagen, weil wir uns nicht mehr persönlich treffen konnten. Außerdem ist es Forschern innerhalb nur eines Jahres gelungen, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln, der viele Menschen vor einer Erkrankung geschützt und eine gewisse Rückkehr zur Normalität ermöglicht hat.

Das alles sind doch positive Dinge – oder etwa nicht?

 

Auszug aus dem Buch „Führung ist mehr – 27 Fragen, die wir auch beantworten können“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2022

[1] zeit.de, Lieber nach Plan scheitern, als mit kreativen Lösungen Erfolg haben, veröffentlicht am 14.04.2011

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