Im Worst Case den Fortbestand des Unternehmens! Aber selbst wenn wir nicht gleich vom extremsten Fall ausgehen, so kosten Konflikte die Unternehmen immer Zeit (also Geld!), Energie und stören die betrieblichen Abläufe in hohem Maße. Ein Sachbearbeiter, der sich über eine Kollegin ärgert, und das jeden Tag aufs Neue, ist eben nicht bei der Sache. Und ein Verkäufer, der seit Monaten nichts anderes im Kopf hat, als den Konflikt mit seinem Vorgesetzten, wird auf Dauer seine Kunden verlieren. […]

Müssen Führungskräfte also grundsätzlich nervös werden, wenn sich in ihrem Team oder ihrer Belegschaft Konflikte bilden? Nein, denn Konflikte sind im menschlichen Miteinander – ob beruflich oder privat – zunächst einmal nichts Ungewöhnliches, denn dieses Miteinander ist nun mal geprägt von Konsens und Dissens. Treffen zwei Menschen aufeinander, kann (und wird) es zu Konflikten kommen. Treffen viele Menschen, beispielsweise in einem Unternehmen, aufeinander, kann (und wird) es zu vielen Konflikten kommen. That´s life!

Für manche bedeutet ein Konflikt per se etwas Negatives. Dabei vergessen sie allerdings, dass aus Konflikten auch Chancen entstehen können: Konflikte machen nämlich auf Probleme aufmerksam und stärken den Willen, diese Probleme anzugehen sowie Veränderungen voranzutreiben – für manche entsteht dadurch sogar ein notwendiger Druck, endlich aktiv zu werden. Gleichzeitig vertiefen Konflikte zwischenmenschliche Beziehungen und festigen den Zusammenhalt innerhalb eines Teams. Die Teammitglieder lernen sich durch den Konflikt noch besser kennen, denn jeder muss sich mit den Ansichten des anderen auseinandersetzen und kann letztendlich vielleicht sogar bessere Entscheidungen treffen, wenn er vorher im Team seinen eigenen Standpunkt argumentativ verteidigen musste. Ganz allgemein ausgedrückt fördern Konflikte die Persönlichkeitsentwicklung. Nicht immer hat alles, was uns im ersten Moment negativ erscheint, auch ausschließlich negative Auswirkungen. An jedem einzelnen Tag begegnen uns viele Herausforderungen, und Konflikte gehören eben auch dazu. Wir können sie jedoch für uns nutzen und an ihnen wachsen.

Ab wann ein Konflikt schädlich für ein Team oder ein Unternehmen wird, lässt sich nicht eindeutig definieren, zu subjektiv sind die Kriterien. So sehen einige Führungskräfte bereits hitzige Diskussionen zwischen ihren Mitarbeitern als einen Konflikt an, aber das ist nicht unbedingt der Fall. Von einem tiefergehenden Konflikt spricht man erst dann, wenn sich im Zuge einer Diskussion unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten gebildet haben und die Fronten total verhärtet sind. Eine Meinungsverschiedenheit allein birgt zwar das Potential eines Konflikts, ist aber noch nicht als Konflikt anzusehen. Denn wenn die Teamstrukturen gefestigt sind, im Unternehmen eine grundsätzlich positive, also lösungsorientierte Streitkultur vorhanden ist und das Team sowohl sich selbst als auch die Grenzen jedes einzelnen Teammitgliedes gut kennt, dann werden Meinungsverschiedenheiten häufig komplikationslos ausdiskutiert. Aber auch wenn daraus ein Konflikt entstehen sollte, kann dieser schnell aufgelöst werden.  Diskussionen oder Konflikte werden mitunter sehr emotional ausgetragen und dabei geht es dann oftmals auch richtig zur Sache, was jedoch nicht automatisch bedeutet, dass sie aufgrund dessen eskalieren oder gar unüberbrückbar werden. Hier kann die Führungskraft eine wichtige Funktion einnehmen, indem sie den Konflikt moderiert und versucht eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel ist.

Allerdings gibt es auch Führungskräfte, die sehr konfliktscheu sind und Konflikte lieber unter den Teppich kehren, statt sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Grund dafür ist entweder, dass sie nicht genau wissen, wie sie mit einer solchen Situation umgehen sollen oder aber sie haben den Konflikt gar nicht erst als solchen erkannt. Doch leider lösen sich Konflikte nicht in Luft auf, wenn man sie nur lange genug ignoriert, im Gegenteil. Sie werden, wie ein Bumerang, immer wieder und von Mal zu Mal stärker zurückkommen, dazu von den Mitarbeitern im Laufe der Zeit womöglich noch weiter angeheizt, sodass eine anfangs vielleicht hitzige, aber harmlose Diskussion über einen ernsthaften Konflikt zu einem verbitterten Streit eskaliert – vergleichbar mit einem Flächenbrand, der nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen ist, sobald er sich einmal ausgebreitet hat.

Infolgedessen sinken die Produktivität und die Arbeitsleistung im Team dramatisch: Bis zu 70 Prozent der Energie, die eigentlich pro Tag für die Arbeit aufgewendet werden sollten, werden dann in diesen Konflikt investiert und zum vorherrschenden Thema in den Köpfen der Mitarbeiter, und das leider nicht nur bei den unmittelbar Beteiligten. Es geht vielmehr auch darum, wie oft sich im Team oder im gesamten Unternehmen über diesen Konflikt unterhalten wird. Wir sprechen an dieser Stelle also noch nicht einmal von dem Konflikt selbst, über einen möglichen Lösungsprozess oder direkte Kosten, die vielleicht daraus entstehen. Nein, es geht darum, wie sehr diese Gespräche die Energie binden, wie sehr das von der eigentlichen Arbeit ablenkt und wie viel Zeit dabei draufgeht, die man auch produktiver nutzen könnte. […]

Zusätzlich kommen noch andere Kosten hinzu, die man, wie eingangs bereits erwähnt, nicht expliziert in der Bilanz wiederfindet. Wenn die Stimmung im Unternehmen oder im Team schlecht ist, hat das früher oder später Einfluss auf die Resilienz der Mitarbeiter, und so steigen Fehlzeiten, Ausschusszahlen sowie die Eigenkündigungsquote, wodurch dem Unternehmen wiederum Fluktuationskosten entstehen. Außerdem hat das Ganze natürlich auch Einfluss auf das Employer Branding, denn der schlechte Ruf wird irgendwann natürlich nach außen getragen, also bekommt das Unternehmen weniger Initiativbewerbungen und wird am Markt keine Mitarbeiter mehr finden – ist der Ruf erst ruiniert, dann ist man eben auch kein attraktiver Arbeitergeber mehr.

Aus diesem Teufelskreis findet man nur schwer wieder heraus. Daher ist es unbedingt notwendig, dass ich als Führungskraft frühzeitig in einen aufkommenden Konflikt eingreife, wenn ich das Gefühl habe, dass dieser eskalieren könnte. Manchmal kann auch eine externe Unterstützung sinnvoll sein. In der frühen Phase des Konflikts ist es zunächst erforderlich, das Gespräch mit den Beteiligten zu suchen. Meistens führt ein Vieraugengespräch die Konfliktursache zutage und es kann schnell zu einer Lösung kommen. Stellt sich allerdings heraus, dass der Konflikt tiefer geht, eine Lösung nicht ohne Weiteres möglich ist und kann außerdem auch kein gemeinsamer Konsens gefunden werden, dann ist ein externer Konfliktmoderator unerlässlich. Sich Hilfe zu suchen zeugt hier nicht von Schwäche, im Gegenteil: Sind die Fronten innerhalb des Teams verhärtet, braucht es andere Ansätze und Perspektiven, um voranzukommen. […]

 

Auszug aus dem Buch „Führung ist mehr – 27 Fragen, die wir auch beantworten können“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2022