Wenn Zeit Geld ist, sollte sie ebenso gemanagt werden wie Kapital. Bedauerlicherweise ist das jedoch häufig nicht der Fall, denn die wenigsten Unternehmen messen überhaupt, womit Mitarbeiter ihre Zeit verbringen. Das gilt im Besonderen für Meetings, die ein wichtiger Bestandteil des Arbeitslebens sind. Allerdings dauern sie oftmals viel zu lange, bringen zu wenig greifbare Ergebnisse und haben zu viele Teilnehmer. Dadurch wird wertvolle Arbeitszeit verschwendet, also Geld verbrannt: »Die angesammelten Kosten von ineffizienten Meetings auf der ganzen Welt werden von der Forschung auf 250 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.«
Wenn ich an einem Meeting teilnehme, zu dem ich keinen wirklich produktiven Beitrag leisten kann, ist das sehr demotivierend. Vor allem dann, wenn sich auf dem Schreibtisch die Arbeit stapelt und ich während des Meetings immer wieder daran denke, was ich jetzt alles schaffen könnte, anstatt nur meine Zeit abzusitzen. Das ist ein Teufelskreis, denn ich werde am nächsten Meeting mit einer entsprechend negativen Einstellung teilnehmen.
Gerade bei sogenannten Regelmeetings, die manche Unternehmen täglich, wöchentlich oder monatlich abhalten, beobachten wir das sehr häufig. […]
Wenn in Meetings nur Zahlen »reportet« werden, wie wir im Neudeutschen so schön sagen, aber keine Interpretation oder Bewertung stattfindet, dann sind nach dem Meeting mindestens achtzig Prozent der Teilnehmer frustriert, weil sie erstens nichts verstanden und zweitens ihre Zeit verschwendet haben. Wir arbeiten oft in Branchen, in denen es jeden Morgen ein Meeting gibt, in dem ausschließlich die KPIs heruntergeleiert werden, doch die Wenigsten können mit diesen Leistungsindikatoren etwas anfangen. Trotzdem sind manchmal zwanzig oder dreißig Mitarbeiter in diesen Meetings, bei einem unserer Kunden waren es aufgrund der Werksgröße sogar siebzig – jeden Morgen, für eine halbe Stunde! Hier waren die KPIs sogar im System hinterlegt, also für jeden Meeting-Teilnehmer jederzeit einsehbar, insofern gab es keinen Grund für diesen halbstündigen, einschläfernden Monolog. Daher haben wir dem Werksleiter unseres Kunden eine Priorisierung der KPIs empfohlen: »Jeden Morgen werden nur noch die Top Fünf des Tages besprochen, allerdings sollen die Zahlen in Zukunft nicht nur vorgelesen, sondern auch bewertet werden, um daraus abzuleiten, woran konkret gearbeitet werden muss. Sonst kratzt ihr immer nur an der Oberfläche.« Wir erklärten ihm, dass der Ablauf ähnlich wie bei einem Feedback in einem Dreischritt erfolgen muss: Schilderung der Wahrnehmung – Interpretation der Wahrnehmung – Bewertung. »Wenn dein Mitarbeiter demnächst im Meeting eine Zahl reported, ist das nur der erste Schritt, also die Schilderung der Wahrnehmung. Daran wird sich ab jetzt eine Interpretation anschließen, der Mitarbeiter muss im nächsten Schritt also auch sagen, was an dieser Zahl gut ist oder wo es vielleicht Probleme gibt. Daraus leiten sich dann die nächsten Schritte ab, also beispielsweise: Woran müssen wir heute arbeiten? Wo brauche ich Unterstützung? Wenn das nicht passiert, weißt du gar nicht, ob die Kollegen das verstanden haben oder ob sie die Zahlen einfach nur über sich ergehen lassen. Aber auch für dich ist diese Bewertung wichtig, weil du dann wiederum für dich bewerten kannst, ob du damit einverstanden bist oder nicht.«
Durch eine solche Priorisierung oder ganz allgemein durch eine klare Agenda wird automatisch auch die Anzahl der Teilnehmer begrenzt. Wessen Zuständigkeitsbereich nicht vorkommt, muss nicht dabei sein. Sonst sitzen zwar zwanzig Mitarbeiter am Tisch, doch womöglich ausgerechnet nicht die, die über eine entsprechende Entscheidungsbefugnis verfügen. […]
Manche nehmen nur noch aus Gewohnheit an diesen Meetings teil, für andere haben sie eine reine Alibifunktion – oder wie es einer unserer Kunden einmal ausdrückte: »Cover-my-ass-Meetings«. Letztere dienen lediglich zur Absicherung von Entscheidungen: Wenn ich davor zurückschrecke, allein die Verantwortung für eine Entscheidung zu übernehmen, dann lade ich einfach zehn oder zwanzig Kollegen zu einem Meeting ein, am besten noch für einen halben oder ganzen Tag, um mir die Vorschläge von ihnen absegnen zu lassen und damit die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Ganz nach dem Motto: »Das haben wir doch zusammen beschlossen!« […]
Daher braucht es für ein effizientes Meeting eine klare Agenda, und eine solche Agenda braucht wiederum eine gute Vorbereitung: Agenda-Punkte festlegen, Unterlagen zusammenstellen, Fragen und Probleme formulieren. Das kostet im Vorfeld zwar Zeit, verkürzt aber die eigentliche Besprechung. Es reicht eben nicht, nur ein paar Überschriften wie »Bestellungen« oder »Beschwerdemanagement« aufzuschreiben, das ist zu allgemein gefasst. In diesem Fall geht zu Beginn des Meetings viel zu viel Zeit mit der Klärung verloren, um was es eigentlich gehen soll, und die angesetzte Zeit ist womöglich schon rum, bevor man es endlich herausgefunden hat. […]
Die einzelnen Punkte der Agenda werden vorher auch mit Zeitfenstern versehen, um sich nicht in unnötigen Details zu verzetteln. Und natürlich muss jemand verantwortlich dafür sein, dass die vorher eingeplante Zeit nicht überschritten wird! Übrigens ist das auch ein gutes Mittel gegen Selbstdarsteller, die ein Meeting gern zur eigenen Profilierung nutzen, indem sie ausufernde Monologe halten oder Probleme aufwerfen, die gar keine sind, nur um im Mittelpunkt zu stehen. Sie halten einen ausgefüllten Terminkalender anscheinend für ein ausgefülltes Leben, vergessen dabei jedoch, dass unnütze Meetings nicht nur vergeudete Arbeitszeit, sondern auch vergeudete Lebenszeit sind. […]
Auszug aus dem Buch „Führung ist mehr – 27 Fragen, die wir auch beantworten können“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2022