»Man kann nicht nicht kommunizieren.«  Diese Aussage des österreichischen Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick ist einigen vielleicht bekannt. Watzlawick ging davon aus, dass jedes menschliche Verhalten eine Art Mitteilung an das Umfeld darstellt, es daher also unmöglich ist, nicht mit anderen Menschen zu kommunizieren. Dementsprechend teilt man seinen Mitmenschen praktisch ununterbrochen etwas mit – das kann bewusst oder unbewusst, beabsichtigt oder unbeabsichtigt geschehen. Laut Watzlawick übermitteln wir unsere Botschaften jedoch nicht nur durch unsere Sprache, sondern auch durch Gestik, Mimik, durch den Klang unserer Stimme, genauso wie durch unsere Kleidung oder unseren Haarschnitt.

Den meisten von uns ist das Thema Kommunikation schon in der Schule begegnet und wenn wir in unseren Trainings oder Seminaren mit dem »4-Ohren-Modell« des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun beginnen, verdrehen einige mehr oder weniger unverhohlen die Augen, weil ihnen nicht nur dieses Modell bekannt ist, sondern weil sie glauben, schon sehr viel über Kommunikation zu wissen. Uns ist durchaus bewusst, dass zu diesem Thema eigentlich schon (fast) alles gesagt oder geschrieben worden ist. Aber warum kommt es im täglichen Miteinander dann trotzdem immer wieder zu Kommunikationsproblemen? Wie kann es sein, dass Menschen aneinander vorbeireden, obwohl sie doch alles darüber wissen? […]

Anscheinend sind sich viele Menschen nicht wirklich darüber im Klaren, wie Kommunikation tatsächlich funktioniert. Es wird also höchste Zeit für ein paar Basics.

Schauen wir uns zunächst das sogenannte Sender-Empfänger-Modell an, das einigen vielleicht bekannt vorkommt und das ein klassisches Kommunikationsmodell ist. Entwickelt wurde es in den 1940er Jahren von den Mathematikern Claude E. Shannon und Warren Weaver, die beide für eine Telefongesellschaft arbeiteten, sodass ihr Modell ursprünglich technisch ausgerichtet war: Dabei ging es ihnen um die Reduktion der Störanfälligkeit zwischen Sender und Empfänger während eines Telefongesprächs. Dieses Modell wurde unter anderem von dem Soziologen Stuart Hall sowie dem bereits erwähnten Paul Watzlawick aufgegriffen und für die Kommunikation weiterentwickelt. Wie in einer Telefonleitung gibt es auch in der Kommunikation, also zum Beispiel in einer Unterhaltung, einen Sender und einen Empfänger. Der Sender (Person A) übermittelt eine Botschaft oder Nachricht an den Empfänger (Person B). Dabei kommt es zu einer Codierung, denn jede Nachricht, die im Zuge eines Gesprächs übermittelt wird, unterliegt einer Verschlüsselung durch den Sender. Diese Verschlüsselung kann Sprache, Schrift oder Körpersprache sein. Der Empfänger muss diese Signale nun entschlüsseln (decodieren), um zu verstehen, was der Sender gemeint hat. Das erzeugt wiederum eine entsprechende Reaktion – der Empfänger wird so schließlich selbst zum Sender, und der Kreislauf beginnt von vorn.

Aber was passiert, wenn der Empfänger nicht den gleichen »Schlüssel« hat wie der Sender und die Nachricht daher in anderer Form decodiert? Es entstehen Konflikte, da der Empfänger nicht versteht, was der Sender gemeint hat. Wir vergleichen das gern mit einem Paket, das auf Reisen geht. Der Sender macht es fertig und schickt es los, aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie es beim Empfänger ankommt: Im Idealfall erreicht es ihn genauso, wie es losgeschickt wurde und wie es sich der Sender vorgestellt hat, also völlig intakt. Es ist auf dem Weg nicht beschädigt worden und es ist auch genau das drin, was der Empfänger erwartet hat. Übertragen wir das auf eine Kommunikationssituation: Die Botschaft, die während eines Gesprächs versendet wurde, konnte vom Empfänger korrekt empfangen und decodiert werden. Das andere Extrem wäre, dass das Paket den Empfänger gar nicht erreicht, sondern irgendwo auf dem Weg verloren geht – die Botschaft, die der Sender in einem Dialog vermitteln wollte, kommt überhaupt nicht beim Empfänger an.

Oder das Paket kommt zwar an, ist aber auf dem Transport beschädigt worden. Der Empfänger ist enttäuscht, weil er sich das so nicht vorgestellt hatte. Aber auch der Sender ist enttäuscht, schließlich wollte er ja nicht, dass seine Ware beschädigt ankommt. In der Kommunikation würde man das als ein Missverständnis bezeichnen: Eine Führungskraft teilt ihrem Mitarbeiter vor einem wichtigen Meeting mit, sich die Präsentation noch einmal genau anzusehen. Der Mitarbeiter tut das auch, korrigiert aber die darin enthaltenen Fehler nicht, sodass der Chef im Meeting fehlerhafte Folien präsentiert, was ihm natürlich äußerst unangenehm ist. Nach dem Meeting stellt er seinen Mitarbeiter deswegen zu Rede.

Manchmal passiert es auch, dass ein versendetes Paket auf den ersten Blick unbeschadet beim Empfänger ankommt. Es sieht, von außen betrachtet, erst mal gut aus und ist allem Anschein nach liebevoll verpackt worden, aber nachdem der Empfänger es geöffnet hat, muss er feststellen, dass der Inhalt beschädigt ist oder dass etwas anderes darin ist, als er erwartet hatte. Nicht selten passiert das im Zusammenhang mit Komplimenten, die sich bei erster, oberflächlicher Betrachtung vielleicht gut anfühlen, jedoch auf den zweiten Blick einen faden Beigeschmack erhalten oder sich als »Mogelpackung« herausstellen. Sagt mir eine Kollegin nach der Präsentation: »Du formulierst deine Sätze immer so schön einfach, deshalb habe ich auch alles auf Anhieb verstanden!«, hört sich das erst mal positiv an. Es kann aber auch bedeuten, dass mich meine Kollegin nicht für fähig hält, auch komplizierte Sachverhalte darzustellen. Andere Komplimente sind dagegen leichter als Beleidigung zu identifizieren: »Du hast ja toll abgenommen – jetzt siehst du viel jünger und hübscher aus!« Diese Aussage sendet, hübsch verpackt, eine klare Negativ-Botschaft an den Empfänger: »Vorher hast du alt und hässlich ausgesehen.«  […]

Im Berufsleben spielen kulturspezifische Differenzen oftmals eine entscheidende Rolle. Wer sie nicht kennt, begibt sich im Umgang mit internationalen Geschäftspartnern auf dünnes Eis. Ein oft angeführtes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Deutung von Kopfbewegungen als Zustimmung oder Ablehnung. So bedeutet ein Kopfnicken in Deutschland Zustimmung oder Verständnis – bewegt sich der Kopf jedoch nur einmal nach oben und unten, steht das in Teilen Südosteuropas für »Nein«. Was bei einem Geschäftsessen als höflich oder unhöflich, angemessen oder unangemessen gilt, kann von Land zu Land ebenfalls sehr unterschiedlich sein und bei Nichtbeachtung zu Irritationen führen.

Unabhängig von Sprache und Kulturkreis spielt bei der Decodierung und Beurteilung einer Nachricht die subjektive Wahrnehmung des Empfängers immer eine entscheidende Rolle. Jeder Empfänger verfügt über verschiedene sogenannte Wahrnehmungsfilter, die aufgrund von Herkunft, Erziehung, Bildungsstand, persönlichen Assoziationen oder Erfahrungen entstanden sind. Aufgrund dieser Filter kann eine eingehende Nachricht auf verschiedenste Weise aufgenommen werden, läuft allerdings immer nach folgendem Schema ab: Die Nachricht wird vom Empfänger zuerst wahrgenommen, dann interpretiert und anschließend bewertet. Je ähnlicher die Filter von Sender und Empfänger sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachricht genauso ankommt, wie sie losgeschickt wurde. Sind die Filter jedoch sehr unterschiedlich, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Missverständnissen kommt.

 

Auszug aus dem Buch „Führung ist mehr – 27 Fragen, die wir auch beantworten können“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2022