Vor wenigen Tagen erst war das Finale Italien gegen England der UEFA Europameisterschaft im Wembley-Stadion. Ein wahrer Fußballkrimi: 0:1 in der ersten Halbzeit, 1:1 nach der zweiten Halbzeit und immer noch 1:1 nach der Verlängerung. Und dann 4:3 nach Elfmeter für Italien. Italien ist Europameister. Doch weswegen ist diese Mannschaft Europameister geworden? Warum hätten auch andere Mannschaften es werden können? Wieso fehlt vielen Führungskräften das Potential, in ihrer eigenen Disziplin Europameister zu werden?

Antworten auf diese Fragen liefert ein Auszug aus unserem Workbook Education:

„Eine Frage, die wir Führungskräften während unserer gemeinsamen Zusammenarbeit häufig stellen, ist: »Wann haben Sie das letzte Mal an sich gearbeitet? Wann haben Sie das letzte Mal trainiert?« […] Ein gern herangezogener Vergleich ist in diesem Zusammenhang der zu Spitzensportlern. Ihnen ist nämlich klar, dass sie sechs Tage in der Woche konsequent trainieren müssen, um am Wochenende vielleicht eine Stunde auf dem Platz zu stehen. Noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere fuhr Michael Schumacher jeden Tag bis zu 100 Runden auf der Trainingsstrecke im italienischen Monza, nur um sich beim nächsten Rennen vielleicht noch um eine Zehntelsekunde verbessern zu können.1 Resultat seines konsequenten Trainings? Sieben Weltmeistertitel.

Der kanadische Autor und Unternehmensberater Malcolm Gladwell hat in diesem Zusammenhang die sogenannte 10.000-Stunden-Regel aufgestellt. Sie besagt, dass den meisten Genies, Ausnahmekünstlern oder extrem erfolgreichen Unternehmern der Erfolg nicht in die Wiege gelegt wurde, sondern dass sie mindestens 10.000 Übungsstunden absolviert haben, um es auf ihrem Gebiet zu exzellenten Leistungen oder gar Perfektion zu bringen: »Daraufhin verglichen die Psychologen Amateur- und Profipianisten. Es ergab sich dasselbe Muster: Amateure übten in ihrer Kindheit nie öfter als dreimal pro Woche und hatten im Alter von zwanzig Jahren rund 2.000 Stunden Übungspraxis. Die Profis hatten dagegen Jahr für Jahr mehr geübt und kamen […] im Alter von zwanzig auf etwa 10.000 Stunden.«2

[…] Führungskräfte hingegen scheinen der Auffassung zu sein, dass sie selbst irgendwann

nicht mehr trainieren oder an sich arbeiten müssen. Doch das ist keine professionelle Einstellung, so denken Amateure. Dabei müssten Führungskräfte stets mit gutem Beispiel vorangehen und darüber hinaus Weiterbildung in ihrem Team möglich machen, aktiv anbieten, ja sogar forcieren, und dann auch gemeinsam durchführen. Sie können diesbezüglich jedoch nur glaubwürdig

sein, wenn sie ihren Mitarbeitern ein gutes Vorbild sind. Aber die Realität sieht ganz anders aus. Eine Befragung von mehr als 10.000 Mitarbeitern unterschiedlicher Branchen und Firmengrößen in ganz Deutschland ergab, »… dass Fortbildungen für ihren Vorgesetzten nur eine untergeordnete Rolle spielten und es nur wenig strukturierte Bildungsangebote in ihrem Unternehmen gebe. […] 39 Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, dass der Vorgesetzte selbst die möglichen Angebote für eine Weiterbildung gar nicht kennt.«3

Das ist besonders unverständlich, wenn man bedenkt, dass sich unsere Arbeitswelt durch die Digitalisierung grundlegend verändert. In den allermeisten Branchen brauchen die Beschäftigten kontinuierlich neues Know-how, weil sich Software, Hardware und Prozesse immer wieder ändern. […] In puncto Weiterbildung stehen die Unternehmen in der Pflicht, ihren Mitarbeitern Zugänge zum Lernen zu ermöglichen. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist das Thema Wissensmanagement: Mit der zunehmenden Erkenntnis, dass Wissen eine entscheidende Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen hat, gerät auch der bewusste Umgang mit dem Wissen und Können der Mitarbeiter immer stärker in den Fokus von

strategischer wie operativer Führungs- und Personalarbeit. […]“

 

1 Vgl. Der Spiegel (41/2004), Der spröde Held, S.86ff.

2 Gladwell, Malcolm, Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht, Campus Verlag 2009, S.39

3 zeit.de, Chefs interessieren sich zu wenig für betriebliche Bildung, 18.10.2016.