Ein wirksamer Schutz gegen Ausbrennen ist […] selbstbestimmtes Arbeiten und ein gewisser Handlungsspielraum. Das ist übrigens auch der Grund, warum Führungskräfte im oberen Management seltener von Burnout betroffen sind als ihre Kollegen im mittleren und unteren Bereich: »Je höher in der Hierarchie eine Führungskraft steht, desto weniger gefährdet ist sie, ein Burn-out zu erleiden. […] Vereinfacht ausgedrückt besitzen Menschen in Führungspositionen mehr Kontrolle, zum Beispiel über die Gestaltung der eigenen Aufgaben oder über die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten. Dieses Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, schützt vor mentalen Belastungen wie Stress, Angst oder […] auch Burn-out.«[1]

Aus diesem Grund hat der Tech-Konzern Google vor einigen Jahren die sogenannte 20-Prozent-Regel eingeführt, d.h. an einem Tag der Woche dürfen die Mitarbeiter Projekte verfolgen, die ihnen am Herzen liegen, und zwar unabhängig davon, ob sie mit dem Konzern zu tun haben oder nicht. Auf diese Weise sind beispielsweise Google Mail und Google News entstanden.[2]

Ein weiteres Mittel gegen Burn-out ist die sogenannte Selbstwirksamkeit, also das Gefühl, die Aufgaben aufgrund der eigenen Kompetenzen erfolgreich meistern zu können. Kaum etwas ist schädlicher für die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz als das Gefühl einer permanenten Überforderung. Auch hier liegt es in der Verantwortung von Führungskräften, ihre Mitarbeiter so einzusetzen, wie es ihren Kompetenzen und Fähigkeiten entspricht, oder für eine entsprechende Qualifizierung zu sorgen. Permanente Weiterbildung sollte in der heutigen Zeit ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein, sicherheitshalber wollten wir es aber trotzdem noch einmal erwähnen.

Schließlich kann ich nicht erwarten, dass sich meine Mitarbeiter eigenständig oder »nebenher« an die schnelllebigen, ständig wechselnden internen und externen Anforderungen der modernen Arbeitswelt anpassen. Die Einführung eines neuen Computerprogramms, die Umstrukturierung der Abteilung oder, wie im letzten Kapitel gesehen, die Beförderung eines Mitarbeiters werden ohne eine entsprechende Qualifizierung nicht nur glorreich scheitern, sondern die Beteiligten außerdem überfordern. Daher müssen Führungskräfte nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, also permanent an sich selbst arbeiten, sondern darüber hinaus Weiterbildung bzw. Qualifizierung auch ihrer Belegschaft möglich machen und aktiv anbieten.

Denn von einem Burn-out können nicht nur einzelne Mitarbeiter betroffen sein: Wenn man es nur richtig anstellt, dann schafft man es auch, ein ganzes Team, ja sogar ein ganzes Unternehmen ausbrennen zu lassen. Daran kann man übrigens auch gut erkennen, dass das Argument von der persönlichen Disposition oft eine Ausrede ist: Nicht nur ein Mitarbeiter fällt wegen eines Burn-outs aus, im Laufe der Zeit kommen weitere Fälle hinzu, bis schließlich eine ganze Abteilung oder Firma ausgebrannt ist. Schuld an dieser kollektiven Erschöpfung sind, so die Autoren Hans-Peter Unger und Carola Kleinschmidt in ihrem Buch »Das hält keiner bis zur Rente durch.«[3], meistens zu viel Druck und Tempo durch Vorgesetzte oder Geschäftsführung. Sie nennen es die »Beschleunigungsfalle« und zitieren eine Studie der Schweizer Managementprofessorin Heike Bruch: »Unternehmen in der Beschleunigungsfalle überlasten ihre Mitarbeiter mit einem Zuviel an Aufgaben und Veränderung, für die nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, verlieren den Fokus durch fehlende Priorisierung und bewegen sich permanent an der Leistungsgrenze ohne Aussicht auf Regeneration.«[4]

Zunächst führe ein solches Verhalten zwar zur Steigerung der Rendite. Erinnern wir uns beispielsweise an den Firmeninhaber Hendrik aus dem vorigen Kapitel, der seinen Laissez-faire-Führungsstil für das Nonplusultra hielt und als Rechtfertigung dafür auf den wirtschaftlichen Erfolg sowie seine prall gefüllten Auftragsbücher verwies: Erst als seine langjährige Mitarbeiterin Nadine kündigen wollte und Marcello ihm erzählte, dass noch einige andere aus der Belegschaft auf dem Sprung seien, war er zu Veränderungen bereit.

Langfristig nähme man jedoch in Kauf, dass die Mitarbeiter krank würden: »Eine Zeit lang funktioniert das prima. […] Aber allzu oft möchten Firmenchefs das rasante Tempo zum Normalzustand machen. Was als einmaliger Leistungsschub begann, wird zur chronischen Überlastung. […] Die meisten Beschäftigten versuchen, solange es geht mitzuhalten – und bescheren dem Unternehmen auf der Überholspur nicht selten satte Gewinne.«1 Die ausgebrannte Belegschaft zahlt allerdings einen hohen Preis für den Unternehmenserfolg, denn jeden Tag unter Druck zu funktionieren, das funktioniert eben auf Dauer nicht. Den entsprechenden Vorgesetzten scheint das aber gleichgültig zu sein.

Auszug aus dem Buch „Führung ist mehr – 27 Fragen, die wir auch beantworten können“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2022

[1] https://www.the-klu.org/article/top-fuehrungskraefte-kaum-von-burnoutbedroht/, abgerufen am 23.06.2022.

[2] Vgl. Der Spiegel. Wissen (1/2011), Das überforderte Ich. Stress, Burn-out, Depression, S. 75.

[3] Ungerer, Hans Peter, Kleinschmidt, Carola, »Das hält keiner bis zur Rente durch!« Damit Arbeit nicht krank macht, Kösel-Verlag 2014.

[4] Ebd., S.94.

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