Neben den reinen Sprachbarrieren gibt es noch weitere Stolpersteine, die in der internationalen Zusammenarbeit zu Missverständnissen führen können – Unterschiede bezüglich sozialer, religiöser oder gesellschaftlicher Traditionen sind oftmals nicht auf den ersten Blick erkennbar und treten womöglich erst im Konfliktfall zutage. Fundierte Kenntnisse über die eigene und vor allem natürlich über die Kultur meiner Geschäftspartner sowie die Frage, inwieweit sie sich voneinander unterscheiden, sind angesichts der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen von immenser Bedeutung, wenn ich auch auf internationalem Parkett erfolgreich agieren will.

So unterschätzen viele Deutsche gerade in der Zusammenarbeit mit amerikanischen Geschäftspartnern oder Kollegen diese Unterschiede, da sie glauben, dass sich die amerikanische Kultur nur unwesentlich von der deutschen unterscheidet, zumal die deutsche Arbeitswelt seit Jahrzehnten beispielsweise geprägt ist von den Einflüssen amerikanischer Managementtheorien. Doch die Unterschiede sind größer als so mancher denken mag, wie die eingangs dargestellten Beispiele schon gezeigt haben: In Deutschland ist es üblich, gemeinsam im Team ein Problem zu diskutieren und dann auch im Konsens eine Entscheidung zu treffen. In den USA darf das Team ebenfalls eigene Vorschläge einbringen und der Vorgesetzte kommentiert diese unter Umständen auch positiv (»Sounds good.«), die Entscheidung wird letztlich jedoch top-down getroffen, ohne vorher den Konsens mit dem Team zu suchen. Ist dies den deutschen Mitarbeitern nicht bewusst, fühlen sie sich schnell vor den Kopf gestoßen oder übergangen, weil sie davon ausgehen, dass die flachen Hierarchien, wie sie in den USA üblich sind, gleichzeitig eine demokratische Entscheidungsfindung bedeuten, was jedoch nicht zutrifft.

Wurde in Deutschland außerdem nach einem oftmals längeren Diskussionsprozess eine konsensuelle Entscheidung getroffen, wird diese meistens nicht mehr infrage gestellt oder modifiziert. Im Gegensatz dazu werden in den USA schnelle und flexible Entscheidungen bevorzugt, ganz nach dem Motto: Jede Entscheidung ist besser als keine Entscheidung.[1]

Ändert sich die Situation oder kommen neue Argumente auf den Tisch, kann dies jederzeit zu einer Modifikation der ursprünglichen Entscheidung führen: »Die Essenz klassischer amerikanischer Managementkultur lässt sich […] auf ein Wort bringen: Führungsstärke. Um bei klassischen US-Companies aufzusteigen, muss man vor allem zeigen, dass man schnell und eindeutig entscheidet. Im Zweifel sind von zwei Entscheidungen zwei falsch, aber besser, als wenn man zaudert.«[2]

Auszug aus dem Buch „Führung ist mehr – 27 Fragen, die wir auch beantworten können“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2022

[1] Vgl. Harvard Business Review, Being the Boss in Brussels, Boston, and Beijing, veröffentlicht Juli/August 2017.

[2] zeit.de, USA: Warum eine Karriere in den USA für Deutsche so schwierig ist, veröffentlicht am 16.04.2020.

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