Viele Vorgesetzte sind vielleicht in der richtigen Position, aber sind sie deswegen auch in der richtigen Funktion? Die Begriffe Leader und Manager werden häufig synonym verwendet, obwohl ein großer Unterschied besteht.

In diesem Zusammenhang [Manager = Leader] ist es von entscheidender Bedeutung, welche Funktion der direkte Vorgesetzte im Unternehmen hat und ob er diese auch korrekt definiert. Sieht er sich als Manager oder als Leader und handelt er dann auch entsprechend? Eines der ersten Themen oder Botschaften, die wir in Führungskräftetrainings ansprechen, ist die genaue Unterscheidung dieser beiden Begriffe, weil wir immer wieder feststellen, dass sich viele Firmen der Tragweite einer Fehlinterpretation nicht bewusst sind.

Das kann jedoch den Erfolg eines Unternehmens oder eines Projekts gefährden, schließlich geht es im Management hauptsächlich um Strukturen, Zahlen, Daten und Fakten, die gemanagt werden müssen. Man könnte auch sagen, dass es in diesem Bereich vor allem um sachlich-rationale und analytische Themen geht, also um die Aufrechterhaltung von Prozessen und Systemen.

Ein Leader hingegen, und das ist der entscheidende Punkt, arbeitet mit Menschen zusammen, für die er die Verantwortung trägt. Ein Stück weit liegt es in seinen Händen, wie es seinen Mitarbeitern geht. Also muss er ein Umfeld schaffen, in dem sie gerne arbeiten, sich weiterentwickeln können und das Team voranbringen. […]

Dennoch stellt sich bei näherer Betrachtung der Probleme dann häufig heraus, dass in der Vergangenheit genau in diesem Bereich falsche Entscheidungen getroffen wurden, und zwar nicht nur einmal. Also raten wir solchen Unternehmen, ihre Recruiting-Strategie zu überdenken und sich in Zukunft genau zu überlegen, wen sie für welche Position einstellen. Fehler passieren, das ist klar, aber man sollte vermeiden, den gleichen Fehler ständig zu wiederholen. Oder wie Albert Einstein es einmal formulierte: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

Aus diesem Grund sollten die HR-Abteilungen besser darauf achten, ob für eine bestimmte Position eher Management- oder vielleicht doch Leadership-Skills gefragt sind. Stattdessen wird häufig nur auf die Fachkenntnisse und die Erfahrung geschaut, die Bewerber mitbringen. Natürlich ist es grundsätzlich ein positiver Aspekt, wenn jemand beispielsweise fünf Jahre in Brasilien gearbeitet hat. Auslandserfahrungen hören sich ja immer gut an, trotzdem sagt es wenig darüber aus, ob diese Person dort geführt oder gemanagt hat. Viel wichtiger ist die Frage, was genau ihre Aufgabe in Brasilien war und für welche Tätigkeit ich sie in meinem Unternehmen brauche. […]

Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Aufgabenbereiche zeichnen wir auch gern folgendes Bild: Leader sind dafür verantwortlich, eine berufliche Heimat für ihre Mitarbeiter zu schaffen, damit sie sich wohlfühlen und produktiv sein können. Der Manager hingegen baut das Haus, denn ohne ein Dach über dem Kopf wird sich ein Heimatgefühl nicht einstellen. Beides sollte Hand in Hand gehen. Man braucht im Unternehmen sowohl einen Manager als auch einen Leader, deshalb hat diese Unterscheidung auch nichts mit einer Kategorisierung in ≫gut≪ oder ≫schlecht≪ zu tun. Wichtig ist nur, welcher Anteil für welche Position benötigt wird, das muss ganz klar definiert sein.

Nicht jede Firma hat jedoch die finanziellen Möglichkeiten, beide Positionen zu besetzen. Deshalb müssen gerade kleine und mittlere Unternehmer oft Manager und Leader in Personalunion sein, auch wenn sie sich lieber auf einen Bereich konzentrieren würden. […]

Deshalb muss die vorrangige Fragestellung immer sein: Was genau bin ich – ein Leitungsfunktionar oder ein Führungsfunktionar? Denn wenn wir von Dedication, von Hingabe sprechen, dann meinen wir nicht die Hingabe zum Management. Es geht vielmehr um die Hingabe zur Führung, um die Hingabe zur Arbeit am Menschen und mit den Menschen, People Work.

 

Auszug aus dem Buch „Führung ist keine Illusion – Erlebnisse, Erfahrungen und Erzählenswertes aus zwanzig Jahren Beraterpraxis“ von Gianni, Jan und Marcello Liscia, 2020